Vorschlag zur Regulierung von PFAS und TFA
Im Juli 2021 wurde ein "Registration of Intent" (RoI) zur EU-Chemikalienverordnung 1907/2006 REACH eingereicht. Darin wurde die Absicht erklärt, ein Dossier (einen Bericht zur Dokumentation der Schädlichkeit) zu vielen fluorierten Kohlenwasserstoffen zu erarbeiten. Das Dossier wurde im Januar 2023 eingereicht und am 2023-02-07 veröffentlicht. Ab 2023-03-23 können Personen, Firmen und Verbände noch einige Monate lang Stellung nehmen. Mögliche Regelungen in REACH könnten ab 2025 gelten.
Das Dossier geht von 5 nationalen europäischen Chemikalienbehörden aus. Es umfasst in der Definition alle Stoffe mit voll fluorierten Kohlenwasserstoffgruppen, also Mittelgruppen CF2 und Endgruppen CF3. Die Abkürzung PFAS ergibt sich aus dem englischen Begriff "per- and polyfluoroalkyl substances" (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). In Summe geht es um 4000 .. 15000 Stoffe.
Diese Stoffe sind entweder selbst in der Umwelt persistent, also sehr dauerhaft, oder bilden persistente Verbindungen als Abbauprodukte in der Umwelt. Für einige nicht kommerziell gehandelte oder noch nicht existente Substanzen wird entsprechendes Verhalten angenommen. Ein Abbauprodukt aus vielen Kältemitteln ist Trifluoressigsäure oder Trifluorazetat (TFA). Dieser Stoff wird mit Regen aus der Atmosphäre gewaschen, wenn er in entsprechender Höhe aus Gasen entstanden ist. Er ist in der Umwelt sehr stabil und kann den Stoffwechsel in Organismen stören.
Für die Kältetechnik kann es durch Verbote dieser Stoffe in mehreren Bereichen schwierig werden:
- Viele fluorierte Gase sind als Kältemittel im Einsatz, wie R134a, R1234yf, R143a, R152a, R1234ze(E), u.v.a.m.
- Die ungesättigten teilfluorierten Kältemittel wie R1234yf sind bisher der wichtigste Baustein für neue Kältemittel mit niedrigem Treibhauseffekt und geringer Brennbarkeit. Auf diese Stoffe wird für die Erfüllung der Vorgaben der F-Gase-Verordnung und der MAC-Richtlinie für PKW-Klimaanlagen gesetzt.
- Die Fluorpolymere sind viel eingesetzte und erprobte Konstruktionsstoffe für Dichtungen und elektrische Sicherheit. Hier müssten andere Stoffe gesucht und in langwierigen Versuchsreihen erprobt werden.
- PTFE (Markennamen Teflon u.a.) wird außer als Dichtelement auch als Gleitbeschichtung u.a. in Verbundlagern eingesetzt und ist wesentlich für die Zuverlässigkeit einiger kältetechnischer Bauteile, auch für einige Bauteile für natürlich vorkommende Stoffe als Kältemittel.
Eine Einstufung dieser Stoffe als besorgniserregend in REACH kann zum Verbot der Anwendung, zu erheblicher Begrenzung des Einsatzes oder zu strengen Anforderungen an die Nutzer führen. Vorrangig streben die Autoren des Dossiers Verbote an.
Diese zusätzliche Regelung von Kältemitteln unter REACH kann die technischen Möglichkeiten der Kältetechnik zur Erfüllung der Forderungen der F-Gase-Verordnung wesentlich einschränken.
Quellen:
Substance Information - ECHA (europa.eu)
Registry of restriction intentions until outcome - ECHA (europa.eu)
Vorschläge des Dossiers 2023-01
Das Dossier enthält ein Wasserzeichen mit dem Text "pre-publication – do not cite", ist jedoch bisher das einzig zugängliche Dokument. Daher wird hier davon ausgegangen, dass die wesentlichen Ziele der Antragsteller enthalten sind.
Vorgeschlagen wird, die bis zu 15000 Substanzen zu verbieten, mit der Hauptbegründung, dass sie oder ihre Abbauprodukte in der Natur sehr persistent sind.
Für etwa 1500 genauer untersuchte Substanzen sind Gefährdungen der Umwelt oder der Gesundheit über Einträge bei REACH 1907/2006/EG oder zu CLP 1272/2008/EG als Gefahrstoff dokumentiert. Für viele weitere wird auf Basis von Analogieschlüssen ähnliches angenommen. Für viele Stoffe, deren Gesundheitsgefährdung durch umfangreiche Untersuchungen ausgeschlossen sind, wie R134a als Treibmittel für Asthmasprays oder PTFE (Teflon) als Beschichtung für Kochgeschirr und Zulassung für Lebensmittelkontakt und viele andere Stoffe bleibt als Begründung nur die Persistenz.
Zu dem umfangreichen Verbot gibt es wenige vorgeschlagene zeitlich unbefristete Ausnahmen und eine Reihe von zeitlich begrenzten Ausnahmen. Die zeitliche Begrenzung von 5 Jahren oder 12 Jahren wird auf die Zeit von 1,5 Jahren zwischen Beschlussveröffentlichung und Aktivieren der Regeln addiert, wodurch sich 6,5 und 13,5 Jahre in der Tabelle ergeben.
Bei Nutzung der Ausnahmen wird für den Stoff eine Dokumentation und ein Managementplan für jeden Einsatzort vom Nutzer gefordert. Der Managementplan ist jährlich zu prüfen.
Für Kältemittel sind folgende Ausnahmen vorgeschlagen:
Zeitspanne | Anwendung | Anmerkung |
---|---|---|
6,5 Jahre | Kühlung <-50°C | |
13,5 Jahre | Laborausrüstungen | |
13,5 Jahre | gekühlte Zentrifugen | da noch keine Lösung für brennbare Kältemittel bei Zerbrechen der Zentrifuge bekannt ist |
13,5 Jahre | Wartung und Nachfüllen von Kälte-, Klimaanlagen und Wärmepumpen | Das ist kürzer als die Lebensdauer vieler Anlagen. |
unbegrenzt | Kälte-, Klimaanlagen und Wärmepumpen, wo nationale Sicherheitsstandards Alternativen verbieten | entspricht einem Ansatz im Entwurf der neuen F-Gase-Verordnung |
6,5 Jahre | Autoklimaanlagen in Kombination mit Verbrennungsmotor | |
6,5 Jahre | Transportkälte außer Marine | |
13,5 Jahre | Kältemittel in Armeefahrzeugen | nur vielleicht, Begründungen für Ausnahme fehlen noch |
Fluorierte Kältemittel, die nicht als PFAS verboten werden sollen, wären u.a.
- R23
- R32
- R152a
- R1132a
- R1132(E)
R152a und R1132a sind in Sicherheitsklasse A2, R1132(E) in B2 und damit eher leicht zu entzünden. R23 ist nach F-Gase-Verordnung nur noch für Temperaturen <-50°C erlaubt und wird wegen des sehr hohen Treibhauspotenzials zu viel Quote verbrauchen. R32 hat für langfristigen Einsatz in großen Mengen ebenfalls ein zu hohes Treibhauspotenzial.
Für fluorierte Kunststoffe als Konstruktionselemente in Maschinen und Anlagen sind keine Ausnahmen vorgesehen. Mehrere dieser Materialien sind auch in Kälteanlagen und deren Komponenten im Einsatz. Dichtringe wie O-Ringe aus FKM, FPM oder PTFE würden 1,5 Jahre nach Verabschiedung nicht mehr eingesetzt werden dürfen.
Als Grenzwert für verbotene Substanzen ist zu dokumentieren, dass
- der Fluorgehalt unter 50 ppm (mg/kg) beträgt
- oder der Gehalt an PFAS insgesamt unter 250 ppb (µg/kg) und für jeden einzelnen PFAS unter 50 ppb (µg/kg) liegt, wobei diese 2 Werte nicht anwendbar sind auf Inhalte von PFAS-Kunststoffen.
Diese vorgeschlagenen strengen Vorgaben zu den Restinhalten von PFAS könnten auch bei fluorierten Kältemitteln, die selbst keine PFAS sind, dazu führen, dass sie nicht eingesetzt werden können. Bei der Herstellung einiger fluorierter Kältemittel sind als PFAS eingeordnete Stoffe im Einsatz und werden im Endprodukt nicht mit der geforderten Nachweisschwelle geprüft oder sind möglicherweise nicht mit dieser Genauigkeit prüfbar. Daher ist die Liste der fluorierten Kältemittel, die nicht als PFAS gelten, noch mit Vorsicht zu betrachten.
Quellen:
Zu prüfende eingereichte Beschränkungen - ECHA (europa.eu)
Media briefing: Proposal to restrict PFAS chemicals in the EU - YouTube
Stand der Regulierungsberatungen
Erste Maßnahmen zur Vermeidung von PFAS wurden schon eingeführt. Bei den Wettkämpfen im Wintersport wurden z.B. neue Skiwachse ohne PFAS eingesetzt.
Die Stoffe, die für die Kältetechnik wichtig sind, werden noch diskutiert. Für die wahrscheinlich größte Quelle von TFA in Oberflächengewässern, die fluorierten Gase, wie Kältemittel, ist eine Vorlage für die europäischen Gremien in Arbeit. Noch innerhalb des Jahres 2024 soll diese besprochen, möglicherweise beschlossen werden. Das könnte zu Beschränkungen ab 2028, vielleicht schon ab 2027 führen. Die Sachlage rund um Fluorpolymere scheint nach Auswertung von Eingaben der Industrie deutlich schwieriger zu sein als im Dossier angenommen. Die Eigenschaften dieser Kunststoffe sind für viele Bereiche des Maschinenbaus und der Elektrotechnik und damit für viele Bereiche der Industrie so wichtig, dass hier Umstellungen auf andere Stoffe nicht in Aussicht sind. Hier ist noch keine Zeitschiene bekannt.